Als Exportnation und Wirtschaftsmotor Europas steht Deutschland angesichts geopolitischer Spannungen vor grundlegenden Weichenstellungen. Diese werden maßgeblich beeinflussen, ob Wachstumschancen oder ein zunehmender Konsolidierungsdruck die wirtschaftliche Zukunft prägen werden. Vor diesem Hintergrund analysieren wir in diesem Blogartikel objektiv und ohne politische Wertung, den Koalitionsvertrag 2025 – mit Blick auf relevante Impulse für Unternehmertum, Innovation und Technologieförderung. 

Mehrere Studien zeigen: Unternehmen, die in Krisenzeiten auf Innovation setzen, sind langfristig erfolgreicher als solche, die darauf verzichten (Innovation in a crisis: Why it is more critical than ever, June 2020, McKinsey & Company; Roaring Out of Recession." Harvard Business Review 88, no. 3, March 2010, 62–69). Gerade in Phasen wirtschaftlicher Unsicherheit entstehen neue Bedarfe, Märkte und Geschäftsmodelle. Wer zeitnah handelt, kann die strukturelle Veränderung aktiv mitgestalten und sich nachhaltige Wettbewerbsvorteile sichern. Ein wirtschaftlicher Abschwung kann dem Standort Deutschland also erhebliche neue Wachstumschancen eröffnen – vorausgesetzt, Unternehmen reagieren mit strategisch ausgerichteten Investitionen in Innovation und Transformation, um sich frühzeitig auf veränderte Marktbedingungen und ein mögliches Andauern der Krise einzustellen. Doch auch auf die politischen Rahmenbedingungen für eine solche Innovationsdynamik kommt es an.

Eine gesunde Innovationsförderung ist eine zentrale Voraussetzung für eine funktionierende soziale Marktwirtschaft in einer globalisierten Welt. Aus Sicht der Innovationsberatung gliedert sich diese in drei Säulen:

  1. Economic Culture: Förderung von Unternehmertum und Gründungen im Einklang mit gesellschaftlicher Verantwortung
  2. Innovation Strategy: Unterstützung von Schlüsseltechnologien und -industrien zur Generierung künftiger Wertschöpfung
  3. Innovation Leadership: Stärkung des Technologietransfers durch kreative Rahmenbedingungen und Risikobereitschaft

Diese Säulen können einzeln adressiert werden, sind langfristig aber nur gemeinsam wirksam. Schnittstellen müssen sinnvoll verzahnt werden.

Economic Culture

Ein klar formuliertes Ziel des Koalitionsvertrages ist es, Deutschland zur „Gründer-Nation“ zu entwickeln. Laut dem KfW Gründungsmonitor 2024 ist die Zahl der Neugründungen seit 2003 (ca. 1,5 Millionen Existenzgründungen) rückläufig und stagnierte zuletzt bei etwa 570.000. Als zentrale Hürden wurden in der Studie Bürokratie, Kundenzugang, die konjunkturelle Lage und Opportunitätskosten genannt. Auch das Bildungssystem erhält im Hinblick auf unternehmerische Kompetenzen schwache Bewertungen. Es besteht also Handlungsbedarf.

Das Koalitionspapier adressiert dies unter anderem mit folgenden Maßnahmen:
  • Bürokratieabbau, weniger Dokumentationspflichten sowie Vereinfachung von Normen und Standards für den Mittelstand, Handwerk und Selbstständige
  • Vereinfachung notarieller Vorgänge und die Ermöglichung digitaler Beurkundungsprozesse sowie des automatischen Datenaustauschs zwischen Notariat, Finanzamt und Gewerbeamt sollen in der nächsten Legislaturperiode erreicht werden.
  • Prüfung einer „Gründerschutzzone“ zur Bürokratieentlastung sowie Einführung eines digitalen One-Stop-Shops für Gründungen innerhalb von 24 Stunden. Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung soll durch eine praxisnahe Ausgestaltung von Steuer- und Sozialversicherungsrecht weiter gestärkt werden.
  • Mit einem Deutschlandfonds in Höhe von mindestens 10 Milliarden Euro Eigenmitteln des Bundes sollen mindestens 100 Milliarden Euro privates Kapital für Mittelstand und Scale-ups aktiviert werden sollen.
  • Der aus der letzten Legislaturperiode bestehende Zukunftsfond soll bis 2030 auf 25 Milliarden Euro verdoppelt werden. Die Start-up-Finanzierungsarchitektur wird einem „Effizienz-Check unterzogen. Ein Zukunftsfonds II mit Fokus auf Ausgründungen sowie Wachstum im Deep-Tech-Bereich und Biotech soll etabliert werden.
  • Im Zukunftsvertrag Studium und Lehre soll Entrepreneurship Education als weiteres Ziel aufgenommen und eine neue Gründerkultur an Forschungseinrichtungen aufgebaut werden.
  • Ein erleichterter Zugang zu Innovationsprogrammen sowie wettbewerbsfähige Energiekosten für Unternehmen mit dauerhafter Entlastung um mindestens fünf Cent pro kWh sollen das Unternehmertum fördern.

     
 

Zwischenfazit: Die Koalitionsvereinbarung greift zentrale Themen der „Economic Culture“ auf und benennt entsprechende Ziele. Für die zukünftige Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Deutschland wird entscheidend sein, wie diese Ziele konkret ausgestaltet und umgesetzt werden.

 
 

Innovation Strategy

Die Koalition plant, den Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2030 auf mindestens 3,5 % des BIP zu steigern – mit dem Ziel, zu innovationsstarken Ländern wie Israel, Südkorea oder Schweden aufzuschließen (Quelle: OECD Indicators, Gross domestic spending on R&D in 2023). Die im Koalitionspapier genannten Schlüsseltechnologien und -industrien sind breit gefächert:

 
Schlüsseltechnologien
Schlüsselindustrien und Branchen
 
  • Additive Fertigung und 3D-Druck
  • Autonomes Fahren
  • Biotechnologie
  • Fusion und klimaneutrale Energieerzeugung
  • Entwicklung und Produktion von Arzneimitteln, Wirkstoffen und Medizinprodukten
  • IKT
  • Klimaneutrale Mobilität
  • Künstliche Intelligenz
  • Leichtbau-Technologie
  • Maritimen Technologien
  • Mikro- und Nanoelektronik
  • Photonik
  • Quantentechnologie
  • Robotik

  • Automobil- und Zulieferindustrie als Schlüsselindustrie
  • Batteriezellfertigung inklusive der Rohstoffgewinnung, des Recyclings und des Maschinen- und Anlagenbaus
  • Biotechnologie als Schlüsselindustrie
  • Chemieindustrie
  • Cloud- und KI-Infrastruktur Branche
  • Gaming-Branche
  • Luftfahrtindustrie
  • Mikroelektronik
  • Pharmaindustrie
  • Raumfahrt als Zukunfts- und Schlüsseltechnologie
  • Schiffbau und Schiffbauzulieferer
  • Stahlindustrie
  • Verteidigungsindustrie

 

Unter einer „Hightech-Agenda“ werden für einige dieser Bereiche konkrete Vorhaben benannt, etwa:
  • Aufbau von KI-Spitzenzentren („AI Gigafactory“)
  • Entwicklung von Quantenrechnern
  • Kompetenzzentrum für Chipdesign
  • Nationale Biobank
  • Errichtung eines Fusionsreaktors in Deutschland

     
  Zwischenfazit: 

Im Bereich „Innovation Strategy“ ist eine klare inhaltliche Schwerpunktsetzung erkennbar. Der klassische Maschinen- und Anlagenbau, eine bedeutende Exportbranche Deutschlands, wird in der Übersicht nur einmal im Zusammenhang mit Batteriefertigung erwähnt. Der Bereich automatisierte Flug-, Boden- und Unterwasserdrohnen scheint unter dem Themenfeld Robotik subsumiert zu sein. Die Eisenbahnbranche findet vor allem im Kontext von Schieneninfrastruktur sowie Güter- und Personenverkehr Erwähnung.

 

 

Innovation Leadership

Während "Economic Culture" und "Innovation Strategy" wichtige Grundlagen bilden, entscheidet sich der tatsächliche Innovationsfortschritt maßgeblich in der Umsetzung: beim Transfer von Forschung in die Praxis, bei der Förderung von Kooperationen sowie bei der Skalierung erfolgreicher Ansätze. "Innovation Leadership" bedeutet in diesem Zusammenhang, die richtigen Strukturen, Anreize und Förderinstrumente bereitzustellen.
  • Bestehende FuE-Programme werden fortgeführt: Fortführung und Stärkung der Programme ZIM (Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand), IGF (Industrielle Gemeinschaftsforschung), KMU-innovativ und INNO-KOM (Förderprogramm Innovationskompetenz)
  • Weiterführung von Transfer-Programmen des Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) inklusive „DATIpilot“ (Pilotprojekt der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation) sowie von Programmen der DAFG (Deutsche Anwendungsforschungsgemeinschaft) wie „Forschen an HAW“ und „FH Personal“
  • Angemessene Beteiligung der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften am DFG-Förderaufkommen (Deutsche Forschungsgemeinschaft)
  • Ausbau regionaler Förderprogramme wie „WIR – Wandel durch Innovation in der Region“, „RUBIN – Regionale unternehmerische Bündnisse für Innovation“ und T!Raum – TransferRäume für die Zukunft von Regionen“
  • Gezielte Angebote wie KI-Reallabore für KMU
  • Fortführung regionaler Transformationsnetzwerke und -Hubs in der Automobilindustrie über 2025 hinaus
  • Vorhandene Technologiezentren und Innovationscluster in den Bundesländern dienen als Grundlage für den Ausbau weiterer Aktivitäten

     
  Zwischenfazit: 

Im Bereich „Innovation Leadership“ setzt die Koalition vor allem auf bestehende Programme. Laut Koalitionspapier soll die Förderpolitik der Bundesregierung im Zuge einer Konsolidierung stärker an Leistungsindikatoren ausgerichtet werden. Neue Maßnahmen werden dabei in erster Linie mit Blick auf Effizienz und Wirksamkeit formuliert, ohne konkrete Aussagen zu zusätzlichen finanziellen Spielräumen zu treffen.

 

 

 


 

Koalitionsvertrag 2025: etablierte Akteure gefragt

Abschließend lässt sich sagen: Die neue Koalition hat die zentralen Herausforderungen des Unternehmertums erkannt und benennt Maßnahmen, um diesen zu begegnen. Eine strategische Priorisierung der Schlüsseltechnologien und Industriefelder ist erfolgt und wirkt insgesamt sinnvoll, ohne große Überraschungen aufzuweisen. Dabei werden sowohl Deep-Tech-Themenfelder (gemäß der Definition des Deep Tech Talent Initiative des European Institute of Technology) als auch Technologien und Industrien mit höherem Potential für Spill-Over-Effekte oder Cross-Innovation adressiert.

Positiv ist die Fortführung bewährter Maßnahmen im Bereich Innovation Leadership. Es fehlen jedoch konkrete neue Impulse, um etwa den Technologietransfer zu stärken, Deep-Tech-Innovationen schneller in den Markt zu bringen und das Innovationsökosystem in Deutschland weiterzuentwickeln. Gerade hier sind etablierte Akteure gefragt, ihre Rolle aktiv auszufüllen: Netzwerkmanagement-Einrichtungen und Innovationsberatungen sind aufgerufen, ihre Expertise einzusetzen, ihre Bemühungen zu intensivieren und alle angebotenen Möglichkeiten für ihre Kunden auszuschöpfen. Aus Sicht der Innovationsberatung ist die Politik bei der Umsetzung des Koalitionspapiers gefordert, verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen wie etwa eine Planungssicherheit für Förderprogramme, damit Unternehmen Wachstumschancen nutzen und langfristig erfolgreich sein können.

EurA ist seit über 25 Jahren ein zuverlässiger Partner der Industrie für Technologietransfer und Open Innovation. In unseren ZIM-geförderten Innovationsnetzwerken begleiten wir die Technologieführer von Morgen und unterstützen bei der Finanzierung durch Fördermittel.

 

Text: Dr. Viktor Schneider

Dr. Viktor Schneider

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Danke fürs Lesen! Wenn Sie mehr über dieses Thema erfahren möchten, freue ich mich auf ein Gespräch mit Ihnen. Ich habe Physik mit Schwerpunkt Plasmatechnologie studiert und einen Doktortitel in Materialwissenschaften mit Schwerpunkt Nanocomposite. Bei EurA in Schleswig-Holstein bin ich seit 2017 als Projekt- und Netzwerkmanager, zertifizierter go-Inno-Berater sowie als Koordinator für EU-Fördermittel tätig. Ich bin hoch motiviert, mein Wissen, meine Erfahrung und Fähigkeiten für das erfolgreiches Wachstum von innovativen Unternehmen einzusetzen. Ich leite viele Projekte im Bereich der elektrischen und automatisierten Mobilität (Luft, Wasser, Straße) und verfüge über umfangreiche Erfahrungen in nationalen und europäischen Fördermitteln. Ich habe viele Start-ups, mittelständische und große Unternehmen bei der Realisierung ihrer Innovationen beraten. Zudem bin ich passionierter Cross-fitter, wenn auch nicht mehr ganz in Topform.
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