Ein bekanntes Sprichwort, das durch den Science-Fiction-Autor R. A. Heinlein geprägt wurde, lautet: "There is no such thing as a free lunch". Frei übersetzt bedeutet das: „Nichts ist umsonst“. Das gilt auch für die Leitung von Strom in klassischen Leitern z.B. aus Kupfer oder Aluminium. Supraleiter hingegen scheinen das Sprichwort von R. A. Heinlein aber nicht zu kennen und leiten Strom ohne Verluste.

Was Supraleitung so besonders macht

Das Phänomen, dass sich Elektronen aufgrund von Streuprozessen auf mikroskopischer Ebene nicht frei durch den Leiter bewegen können, nehmen wir auf makroskopischer Ebene als elektrischen Widerstand wahr. Ein Teil der elektrischen Energie geht dabei als Wärme verloren. Wie groß der Widerstand des Leiters ausfällt, hängt von dessen geometrischen Abmessungen (Länge und Querschnitt) und dessen materialabhängigem spezifischen Widerstand ab. Deshalb glüht der dünne Draht der Glühbirne, während sich an unserer Hausleitung bei gleicher Leistung kaum Erwärmung feststellen lässt.

Supraleiter hingegen leiten elektrischen Strom widerstandslos. Ihre Hauptanwendung findet sich in Hochleistungsmagneten für Medizin und Forschung und in der Energieübertragung. Aufgrund der verlustfreien Stromleitung lassen sich dabei anders als in klassischen Kabeln sehr große elektrische Leistungen durch ein Kabel mit äußerst geringem Querschnitt übertragen. Dass Supraleiter deutlich an Platz sparen, macht sie interessant für Stromversorger.

Bloggrafik-Supraleitung

Vergleich des Ausbaus herkömmlicher Stromtrassen mit Supraleiter-Trassen

 

Warum wir immer noch „normale“ Kabel nutzen

Ein kleines, aber wichtiges Detail der Supraleiter wurde bisher noch nicht erwähnt: Sie brauchen es kühl. Und mit kühl ist nicht der norddeutsche Sommer gemeint, sondern Temperaturen von –196 °C und kälter. Supraleiter zeigen Ihren supraleitenden Effekt nämlich nur unterhalb ihrer Sprungtemperatur. Diese auch als „kritische Temperatur“ Tc bezeichnet, ist für jedes supraleitende Material spezifisch. Zwei häufig kommerziell genutzte Vertreter sind Magnesiumdiborid (MgB2; TC = 39 K [–234,15 °C]) und Rare-earth Barium Copper Oxide (ReBCO), Materialien, deren bekanntester Vertreter wahrscheinlich Yttrium-Barium-Kupferoxid, kurz YBCO (YBa2Cu3O7-x; Tc = 92 K [–181,15 °C]) ist. Um also den supraleitenden Effekt aufrecht zu erhalten, ist eine dauerhafte Kühlung mit tiefkalten Flüssiggasen wie Stickstoff (77 K; –195,8 °C), Wasserstoff (21,15 K; –252 °C) oder Helium (4,2 K; –269 °C) nötig. Für den Energietransport werden die supraleitenden Kabel dazu klassischerweise mit flüssigem Stickstoff als Kühlmedium umspült. Das Kabel lässt sich mit einer Wärmeisolations-Schicht umhüllen, so dass der Stickstoff nicht gleich verdampft.

 

Ist die Herstellung nicht wahnsinnig teuer?

Da im Vergleich zu Kupferkabeln ein Supraleiter etwa die 100-fache Stromdichte im selben Querschnitt übertragen kann, fallen die Materialkosten kaum ins Gewicht. Aktuell wird der Preis von Supraleitern daher in der Hauptsache von den Fertigungskosten bestimmt und durch weitere Skalierung könnten die Materialkosten unter jene von Kupfer fallen. Obwohl also supraleitende Kabel noch keine Massenprodukte sind, könnten sie künftig klassischen Erdkabeln wirtschaftlich überlegen sein.

 

Die Bedeutung von Supraleitern für die Energiewende

Die hohe Stromdichte, die in einem vergleichsweise geringen Querschnitt übertragen werden kann, macht es möglich, dass die Kabeltrassen bei gleicher Kapazität deutlich schmaler ausgeführt werden können. Zum Vergleich: Eine 6,4 GW Überlandleitung benötigt einen etwa 125 m breiten Korridor, bei einer Erdkabelanlage sind es schon nur noch 13-22 m, der Supraleiter kommt mit nur 5,5 m aus. Die Trassenbreite ist aus mehreren Gründen ein sehr wichtiges Thema bei der Erstellung von Stromtrassen.

Beispielsweise ist in Ballungsräumen häufig eine Nach- und Aufrüstung von klassischen Trassen aus Platzgründen nicht möglich, eine supraleitende Trasse kann aufgrund ihres geringen Platzbedarfs aber realisiert werden. Exemplarisch wurde das im AmpaCity-Projekt demonstriert und wird jetzt auf 12 km quer durch München Realität werden – Weltrekord.

Aber auch im ländlichen Gebiet haben Supraleiter ihre Berechtigung. Aufgrund der geringen Trassenbreite werden die Eingriffe in den Naturraum begrenzt. Besonders in sensiblen Naturräumen wie dem Wattenmeer bieten Supraleiter eine ökologisch bessere Alternative zur Vielzahl an klassischen Kabeltrassen, die zur Anbindung der Offshore-Windparks notwendig werden. Zudem sind reduzierte Trassenbreiten auch beim Wegerecht und der Akzeptanz in der Bevölkerung von Vorteil.

Der Netzausbau mittels Erd- (links) und Oberleitungskabeln (mittig) benötigt weitaus mehr Raum als das Verlegen von Supraleitern (rechts) bei vergleichbarer Übertragungsleistung.

 

Neben den baulichen Aspekten birgt die Energiewende auch andere Herausforderungen für unsere Energieversorgung. Auf der Seite der Stromversorgung sehen wir mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und dem Abbau grundlastfähiger Kraftwerke zunehmend Herausforderungen für die Netzstabilität und -regelung. Durch die vermehrte Nutzung erneuerbarer Energien erfolgt die Energieerzeugung zunehmend dezentral und intermittierend. Das hat zur Folge, dass große Mengen Energie vom Produktionsort ins Netz und zu den Verbrauchern gebracht werden müssen.

Davon sind insbesondere die Übertragungsnetze betroffen. So muss je nach Wettersituation beispielsweise Windstrom aus dem Norden zu Verbrauchern in den Süden oder Solarstrom von dort in den Norden transportiert werden. Dabei gehen etwa 6 % der bereitgestellten elektrischen Energie als Leitungsverluste verloren. Bei einer Bruttostromerzeugung in Deutschland von 569 TWh in 2022 sind das über 34 TWh, die im Leitungsnetz verloren gehen. Selbst wenn man konservativ annimmt, dass Supraleiter aufgrund der für die Kühlung aufzubringenden Leistung nur 50 % effektiver sind, sind das noch immer gigantische 17 TWh. Das entspricht 13 % der in 2022 durch Privathaushalte verbrauchten Energie oder einem Einsparungspotential von etwa 7,5 Mio. t CO2 oder dem jährlichen CO2-Ausstoß von 2,2 Mio. Fahrzeugen. Natürlich kann man jetzt nicht überall supraleitende Kabel einsetzen, aber es zeigt die Größenordnung der Einsparungen, welche die Technologie ermöglicht.

 

Fazit

Supraleiter sind eine spannende Alternative zu klassischen Kupferleitungen und bieten besonders im Leitungsbau in beengten und schützenswerten Umgebungen enorme bauliche Vorteile. Aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften können sie Übertragungsverluste massiv reduzieren und helfen den durch Stromerzeugung bedingten CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Die EurA AG bearbeitet das Thema im Rahmen des ZIM-Netzwerks „SupraHEET“. Ziel des Netzwerks ist die Entwicklung von Supraleitung in Kombination mit flüssigem Wasserstoff als Kühlmedium anstelle von flüssigem Stickstoff voranzutreiben (siehe Blogartikel „Die Supraleitertechnologie – was steckt dahinter?“). Neben der höheren elektrischen Übertragungsleistung steht mit Wasserstoff zudem ein chemischer Energieträger zur Verfügung. Die Synergie aus dem gleichzeitigen Transport von elektrischer- und chemischer Energie schafft neue Einsatzmöglichkeiten und trägt zur Wirtschaftlichkeit bei.

 

Wir haben Ihr Interesse geweckt? Sprechen Sie uns gern an: Unsere Experten Dr. Knut Behnke und Dr. Jochen Lach stehen Ihnen zu den Themen Supraleitungen und erneuerbaren Energien jederzeit zur Verfügung.

 

Text: Dr. Jochen Lach

Headerbild: NKT Cables Group
  Rubrikbild links: Amprion 
  Rubrikbild rechts: Westenergie: 'Supraleitung Baustelle 2014'

 

Dr. Jochen Lach

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Als Netzwerkmanager und Fördermittelberater betreue ich seit 2022 KMU bei ihrer Innovationsentwicklung. Ich bin promovierter Chemiker und habe mein Studium in Leipzig und Uppsala mit Arbeiten im Grenzbereich Chemie und Physik absolviert. Zehn Jahre Berufserfahrung habe ich vor meiner Anstellung bei EurA in der Industrie sammeln können. Zunächst mehr als sechs Jahre im Bereich Fluidentwicklung für Pkw-, Lkw- und Motorsportanwendungen bei einem großen internationalen Unternehmen, anschließend drei Jahre in der Forschung und Entwicklung im Bereich Wasseraufbereitung und Consumer Goods. Ich verfüge über umfangreiche Kenntnisse in F&E, Projektmanagement, Produktentwicklung und Stakeholdermanagement. Bei der EurA AG bin ich als Netzwerkmanager für das ZIM-Netzwerk SupraHEET tätig und betreue Fördermittelprojekte mit technischem Bezug.
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