Ab Dezember 2027 greift ein EU-weites Verbot für Produkte, die unter Zwangsarbeit hergestellt wurden. Grundlage dafür ist die Verordnung (EU) 2024/3015, die Ende 2024 im EU-Amtsblatt veröffentlicht wurde. Diese Zwangsarbeitsverordnung untersagt ab dem 14. Dezember 2027 den Handel mit Waren aus Zwangsarbeit in der Europäischen Union. Das Verbot umfasst sowohl das Inverkehrbringen und Bereitstellen solcher Produkte auf dem EU-Binnenmarkt als auch deren Ausfuhr aus der EU. Im Folgenden Beitrag erläutern wir, was die Verordnung regelt, wen sie betrifft und welche Maßnahmen Unternehmen jetzt ergreifen sollten.

Hintergrund: Warum ein Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit?

Weltweit sind schätzungsweise über 27 Millionen Menschen von Zwangsarbeit betroffen, in vielen Branchen, insbesondere bei Textilien-Herstellung, Landwirtschaft und Bergbau, und auf allen Kontinenten. Angesichts dieser Realität hat die EU entschieden zu handeln: Bereits im September 2022 schlug die EU-Kommission ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten vor. Nach Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament und Rat wurde die Verordnung Ende 2024 formal angenommen. Sie tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft und gilt nach einer Übergangsfrist von drei Jahren, also ab dem 14. Dezember 2027. Dieses lange Vorlaufzeitraum soll Unternehmen die Möglichkeit geben, notwendige Änderungen in ihren Lieferketten vorzunehmen.

Was regelt die Zwangsarbeitsverordnung?

Die Verordnung (EU) 2024/3015 schafft einen umfassenden rechtlichen Rahmen, um gegen Produkte aus Zwangsarbeit vorzugehen. Kernpunkt ist ein generelles Verbot, solche Waren in der EU in Verkehr zu bringen, auf dem Markt bereitzustellen oder auszuführen. Sämtliche Produkte jeder Art – einschließlich aller Bestandteile – fallen unter das Verbot, unabhängig vom Herkunftsland oder Produktionsort. Wird ein Produkt als unter Zwangsarbeit hergestellt identifiziert, muss sein Vertrieb unverzüglich eingestellt werden. Betroffene Waren sind vom Markt zu nehmen und dürfen auch nicht aus der EU exportiert werden. Damit will die EU sicherstellen, dass keine durch Zwangsarbeit erzeugten Produkte mehr den europäischen Binnenmarkt erreichen oder von dort weiterverkauft werden.

Produkte mit erhöhtem Risiko für Zwangsarbeit in der Lieferkette umfassen beispielsweise Agrarprodukte wie Kakao, Kaffee, Tee, Zuckerrohr, Palmöl, Baumwolle, Reis sowie Fisch und Meeresfrüchte. Im Textilbereich sind es Bekleidung, Schuhe und Teppiche aus Ländern mit niedrigen Löhnen. In der Elektronikbranche betrifft es Solarpaneele, Smartphones, Laptops, Kabelbäume für Autos sowie Akkus und Batterien, insbesondere wenn Rohstoffe wie Kobalt aus der Demokratischen Republik Kongo stammen. Auch Rohstoffe und Baumaterialien wie Natursteine, Ziegelsteine, Sand, Zement sowie Metalle wie Gold, Glimmer, Lithium, Zinn und Wolfram aus konfliktbelasteten Regionen sind betroffen. Diese Einschätzungen basieren auf dem in 2024 veröffentlichten Bericht der US-amerikanischen „List of Goods Produced by Child Labor or Forced Labor“. Die EU plant bis 2027 die Veröffentlichung einer Risiko-Datenbank, die solche Branchen und Produkte konkret benennt.

Wichtig: Dieses Verbot gilt branchenübergreifend und für alle Unternehmen, unabhängig von Größe, Umsatz oder Rechtsform. Anders als etwa bestimmte Sorgfaltspflichten-Gesetze, die nur für Großunternehmen gelten, erfasst die Zwangsarbeitsverordnung alle Wirtschaftsakteure: Produzenten, Hersteller, Importeure, Lieferanten, Händler und Exporteure. Jedes Unternehmen, das Produkte importiert, in Verkehr bringt oder exportiert, muss sicherstellen, dass in seiner Lieferkette keine Zwangsarbeit im Spiel ist.

 


Was fällt unter "Zwangsarbeit"?

Die Verordnung stützt sich auf die international anerkannte Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Demnach ist Zwangsarbeit „jede Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat“. Praktisch umfasst das z. B. Fälle, in denen Arbeiterinnen und Arbeiter durch Gewalt, Drohungen, Schuldknechtschaft, einbehaltene Ausweise oder Lohnvorenthaltung zur Arbeit gezwungen werden. Unternehmen sollten sich dieser Kriterien bewusst sein, um Risiken von Zwangsarbeit in ihren Lieferketten zu erkennen.

 

 

Umsetzung und Durchsetzung des Verbots

Die Durchsetzung der EU-Zwangsarbeitsverordnung erfolgt durch nationale Behörden der Mitgliedstaaten in Zusammenarbeit mit den Zollbehörden. Diese werden einen risikobasierten Ansatz verfolgen und Informationen aus verschiedenen Quellen nutzen, darunter Berichte von NGOs, Unternehmensprüfungen und eine von der EU-Kommission geplante Datenbank zu Hochrisikoprodukten und -regionen. Bei Verdacht auf Zwangsarbeit können die Behörden Untersuchungen einleiten – bei Bestätigung wird das betroffene Produkt EU-weit vom Markt genommen.

Obwohl kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nicht grundsätzlich ausgenommen sind, verspricht der Gesetzgeber eine verhältnismäßige Anwendung: Die Behörden sollen bei ihren Prüfungen die Unternehmensgröße und Ressourcen berücksichtigen, bevor sie formelle Untersuchungen starten. Dennoch entbindet dies KMU nicht von der Pflicht, keine Produkte aus Zwangsarbeit zu vertreiben – es mildert lediglich den administrativen Druck im Vergleich zu Großunternehmen.

Zur Unterstützung der Umsetzung plant die EU-Kommission, Leitlinien mit konkreten Sorgfaltspflichten und Risikoindikatoren zu veröffentlichen. Außerdem wird ein „EU Forced Labour Product Network“ eingerichtet, um den Austausch und die Koordinierung zwischen den nationalen Behörden und der EU-Kommission zu verbessern. Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass die Verordnung effektiv und einheitlich in der ganzen EU durchgesetzt wird.

Was sollten Unternehmen jetzt tun?

Auch wenn das Verbot erst Ende 2027 in Kraft tritt, sollten Unternehmen bereits jetzt aktiv werden, um ihre Lieferketten zwangsarbeitsfrei zu gestalten. Die Vorbereitungen auf die Zwangsarbeitsverordnung lassen sich in bestehende Compliance- und Nachhaltigkeitsprozesse integrieren.

Folgende Schritte sind empfehlenswert:

  1. Lieferketten-Risikoanalyse und Transparenz: Verschaffen Sie sich einen genauen Überblick über Ihre Lieferketten. Identifizieren Sie potenziell riskante Produkte, Materialien, Hersteller und Herkunftsländer. Branchenberichte, NGO-Recherchen und die kommende EU-Risiko-Datenbank können Hinweise auf Risikogebiete geben.
  2. Aktives Lieferantenmanagement: Arbeiten Sie eng mit Ihren Lieferanten zusammen, um Zwangsarbeit auszuschließen. Kommunizieren Sie Ihre Erwartungen klar und integrieren Sie entsprechende Verhaltenskodizes oder Vertragsklauseln gegen Zwangsarbeit. Gegebenenfalls sollten bestehende Lieferverträge überprüft und angepasst werden, um Rechte auf Audits oder außerordentliche Kündigung bei Verstößen zu verankern. Gemeinsam mit Ihren Lieferanten können Sie Verbesserungsmaßnahmen planen – etwa Schulungen, unabhängige Audits oder Wechsel zu vertrauenswürdigen Vorlieferanten.
  3. Sorgfaltspflichten-Prozesse erweitern: Bauen Sie auf vorhandenen Prozessen (z. B. aus dem deutschen LkSG) auf und integrieren Sie Zwangsarbeits-Prüfungen in Ihr Compliance-Management. Dies umfasst die Überwachung von Risikoindikatoren (z. B. ungewöhnlich niedrige Preise, Hinweise auf Missstände) und feste Abläufe zur Untersuchung bei Verdachtsmomenten. Etablieren Sie interne Verantwortlichkeiten – beispielsweise ein Team oder Beauftragten für Lieferketten-Compliance.
  4. Dokumentation und Nachweisführung: Halten Sie Ihre Bemühungen schriftlich fest. Führen Sie Aufzeichnungen über Risikoanalysen, Gespräche mit Lieferanten, Audit-Berichte und getroffene Maßnahmen. Eine lückenlose Dokumentation hilft, im Falle einer Behördenanfrage nachzuweisen, dass Sie die gebotene Sorgfalt walten lassen. Die EU-Kommission wird hierzu noch praktische Leitlinien bereitstellen, die Sie in Ihre Prozesse einbinden können.

Durch proaktives Handeln können Unternehmen Reputationsrisiken vermeiden und sich auf die strikteren Anforderungen vorbereiten. Zudem stärkt eine zwangsarbeitsfreie Lieferkette das Vertrauen von Kunden und Geschäftspartnern in Ihr Unternehmen.

Fazit: Jetzt vorsorgen – wir unterstützen Sie dabei!

Die neue EU-Zwangsarbeitsverordnung schließt ab 2027 eine entscheidende Lücke im Kampf gegen moderne Sklaverei: Erstmals wird es europaweit verboten sein, mit Produkten aus Zwangsarbeit zu handeln. Unternehmen sollten die Übergangszeit bis zum Inkrafttreten der Rechtsvorschriften nutzen, um ihre Lieferketten auf den Prüfstand zu stellen und entsprechende Compliance-Maßnahmen umzusetzen. Wer frühzeitig handelt, minimiert das Risiko von Geschäftsstörungen – etwa durch behördliche Produktbeschlagnahmen – und erfüllt zugleich die steigenden Erwartungen an verantwortungsvolles Lieferkettenmanagement.

Kontaktieren Sie uns, um ein unverbindliches Beratungsgespräch zu vereinbaren – gemeinsam entwickeln wir eine Strategie, damit Ihr Unternehmen auch ab 2027 rechtssicher und ethisch einwandfrei aufgestellt ist.

 

Weiterführende Informationen

 

Text: Daria Ezhkova

Dr. Denise Ott

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Seit 2018 bin ich bei EurA als Nachhaltigkeitsberaterin tätig und verantworte seit 2020 den Dienstleistungsbereich mit derzeit 12 Mitarbeitenden. Parallel leite ich unsere seit 2024 akkreditierte Prüfstelle für Treibhausgasbilanzen und unterstütze als GHG-Gutachterin (EU Innovation Fund) sowie Expertin bei Green-Assist (EU LIFE) die Entwicklung nachhaltiger Investitionsprojekte. Nach meinem Chemiestudium an der Universität Jena promovierte ich im Rahmen eines DBU-Stipendiums zur Implementierung von Nachhaltigkeitskriterien in Forschung, Entwicklung und Lehre. Als Postdoc lag mein Fokus auf der ökologischen Bewertung chemischer und pharmazeutischer Prozesse. Nachhaltigkeit entlang des gesamten Lebenswegs von Produkten, Prozessen und Innovationen zu begleiten – von der Idee bis zum Markteintritt – gibt mir das Gefühl, Gutes zu bewirken. Ich schätze den inspirierenden Austausch mit Kunden und Partnern sehr. Privat bin ich gern in der Natur, lese oder genieße kulinarische Spezialitäten.
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