Seit diesem Frühjahr ist klar, was sich schon lange angekündigt hat: Die Stoffgruppe der PFAS soll nach einem Vorschlag von fünf EU-Staaten, darunter auch Deutschland, grundlegend verboten werden. Ein entsprechendes Verfahren wurde bereits auf EU-Ebene in die Wege geleitet.1 
Wir erklären, was PFAS sind, warum sie nun verboten werden sollen, wann mit einem Verbot zu rechnen ist und welche Auswirkungen dies auf die deutsche Industrie haben kann. 

Was sind PFAS?

PFAS steht für per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (engl. Per- and polyFluoroAlkyl Substances); eine Stoffgruppe, die sich durch ihre langen Ketten aus Kohlenstoff- und Fluoratomen auszeichnet (s. Abbildung 1). Unter die Gruppe der PFAS fallen inzwischen mehr als 4.700 synthetischer Chemikalien, die seit den 1940ern vielfältig und in großem Maßstab in industriellen Prozessen und Produkten zum Einsatz kommen. Dementsprechend weit gefächert sind auch Aussehen und Eigenschaften der einzelnen Substanzen, die sowohl fest als auch flüssig oder gasförmig in Erscheinung treten.2,3 

Begehrt sind die PFAS in der Industrie vor allem wegen ihrer hohen Beständigkeit gegenüber extremen Temperaturen und aggressiven Chemikalien, ihrer stark wasser- und ölabweisenden Eigenschaften sowie ihrer elektrischen Isolierfähigkeiten. Ihre hohe Stabilität führt allerdings ebenfalls dazu, dass sie so gut wie nicht abbaubar sind, weder in der Umwelt noch im Organismus von Lebewesen. Daher nennt man sie auch „Ewigkeitschemikalien“.3

Sehr bekannte Beispiele für PFAS sind TeflonTM und Gore-TexTM.3 Aber auch Stoffe wie PVDF, PFA, FEP, PCTFE und ECTFE, die ebenfalls in chemisch und/oder thermisch anspruchsvollen Anwendungen wie zur Auskleidung von Rohren oder Außenbauteilen oder in Solarzellen eingesetzt werden, gehören zur Stoffgruppe.4

beispiel-pfas  
Abbildung 1. Beispiel einer PFAS: Perfluoroktansulfonsäure (PFOS). Die Fluoratome, die an den langen Kohlenstoffketten hängen, sind sowohl für die industriell interessanten Eigenschaften als auch für die Gesundheits- und Umweltrisiken der Stoffgruppe verantwortlich. Quelle: Umweltbundesamt.2

Warum sollen PFAS verboten werden?

Der Vorstoß PFAS als komplette Gruppe zu verbieten ist in dieser Breite einzigartig, denn bisher gibt es nur relativ wenige gut untersuchte PFAS. Von diesen gelten jedoch die meisten als mäßig bis hoch toxisch, insbesondere für die Entwicklung von Kindern. Teils gibt es daher bereits Einzelverbote, wie von PFOA (Perfluoroktansäure, Anwendungen u.a. Antihaft, Fotos, Medizinprodukte) und PFOS (Perfluoroktansulfonsäure, Anwendungen u.a. Teppiche, Textilien, Papier).4 Der in Reaktion auf das PFOA-Verbot entwickelte, scheinbare alternative und weniger schädliche Herstellungsprozess GenX stellte sich zudem im Nachhinein als „besonders besorgniserregend“ heraus.5

Da sie nicht abgebaut werden, lagern sich PFAS im Laufe der Zeit im menschlichen Gewebe und in der Umwelt an. Sie können zu Gesundheitsproblemen wie Leberschäden, Schilddrüsenerkrankungen, Fettleibigkeit, Fruchtbarkeitsstörungen und Krebs führen.6 Schätzungsweise sterben zudem jährlich mehr als 12.000 Menschen in der EU im Zusammenhang mit einer zu hohen PFAS-Belastung.7 Laut Umweltbundesamt lassen sich PFAS im Blut fast aller Menschen nachweisen, auch in Deutschland.2

Die ökonomischen Kosten, die der Gesellschaft durch die Exposition gegenüber PFAS entstehen, wurden vom Nordischen Ministerrat konservativ auf 52 bis 84 Milliarden Euro pro Jahr in Europa geschätzt.8 Auf ähnliche Zahlen kam jüngst ein Team der New York University für die USA, mit Kosten zwischen fünfeinhalb und mehr als 60 Milliarden Euro für Therapien, Medikamente und Arbeitsausfälle.7 Weitere Kosten entstehen durch die Verschmutzung von Ökosystemen und der daraus folgenden, notwendigen Sanierung von verschmutztem Boden und Wasser. Hierzu gibt es noch keine verlässlichen Zahlen.

Welche Branchen sind von einem PFAS-Verbot betroffen?

Die Anwendungsgebiete von PFAS sind ebenso vielfältig wie die Stoffgruppe selbst. Teflon beispielsweise findet sowohl in der beschichteten Pfanne als auch in Dichtungen von chemischen Anlagen Einsatz. 

Andere Beispiele für den Einsatz von PFAS sind Alltagsgegenständen wie Pfannen, Backformen, Kabelummantelungen, Dichtungen, Medizinschläuche, Imprägnierung und Textilien, aber auch Hightech-Wasserfilter, Schmier- und Klebstoffe, Treib- und Kältemittel, Bauteile in Luft- und Raumfahrt, Brennstoff- und Elektrolysezellen und Bindemittel in Elektroden von Lithiumionenbatterien. Gerade letztere sind im Zusammenhang mit der Energiewende höchst relevant und sollten frühzeitig in Entwicklungen eingeplant werden. So sind PFAS kritische Komponenten in protonenleitenden Membranen und in der Abdichtung von Brennstoffzellenstacks für die es derzeit noch keine kommerzielle Alternative gibt.9

Hinzu kommt, dass in vielen Herstellungsprozess PFAS als Hilfsmittel verwendet werden, z.B. in der Chemie- und Halbleiterindustrie. Oft ist dies im Endprodukt nicht ersichtlich und auch Hersteller müssen sich zunächst eingehend mit ihrer Lieferkette auseinandersetzen, um Produktionsausfälle zu vermeiden. Bauteile für elektronische Geräte wie Handys oder Computer werden beispielsweise mithilfe von PFAS hergestellt. In der Oberflächenbehandlung von Metallen und Kunststoffen werden PFAS als Netzmittel zur Unterdrückung von Chrom(VI)dämpfen in Verchromungsprozessen sowie beim Kunststoffbeizen eingesetzt.7,10 

Wie schnell wird das PFAS-Verbot umgesetzt?

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) will sowohl die Herstellung als auch die Verwendung und Einfuhr von PFAS verbieten. Welche Ausnahmen es letztendlich geben wird, ist noch unklar. Trotzdem ist die Frage nicht, ob das Verbot kommt, sondern in welcher Form. Auch sollen Ausnahmen grundsätzlich zeitlich befristet werden.11

Hierbei werden derzeit je nach Branche und Anwendung Übergangsfristen zwischen achtzehn Monaten und dreizehneinhalb Jahren diskutiert. Somit sind die ersten Einschränkungen voraussichtlich 2025 zu erwarten. Als Grundregel gilt: je essenzieller die Anwendung, desto länger kann man mit einer Schonfrist rechnen. Arzneimittel könnten möglicherweise als unbefristete Ausnahme durchgehen.3

Dennoch sollte eine Umstellung nicht zu lange aufgeschoben werden. Umstellungen von Produktionslinien und Produkten erfordern teils langjährige Entwicklung. Ersatztechnologien müssen meist noch zur Marktreife weiterentwickelt werden. Dies kann zu Knappheit von PFAS-freien Ersatzprodukten führen.3

Was sind die Konsequenzen des PFAS-Verbots für die Industrie? 

Die betroffenen Industriebranchen müssen mit einem hohem Innovationsdruck zur Entwicklung PFAS-freier Alternativen rechnen. Innovation ist meist auch mit einem erheblichen Kosten- und Zeitaufwand verbunden. Investitionen in die Produktentwicklung, den Aufbau neuer Produktionskapazitäten, sowie Kosten für Ausbildung und Kommunikation und etwaige Kosten für Folgeschadenbeseitigungen („Polluter Pays Principle“) müssen eingeplant werden.

Oftmals können solche Investitionen in Forschung und Entwicklung zunächst abschrecken. Dies verzögert allerdings die notwendige Weiterentwicklung unnötig und führt zu einer Wettbewerbsschwächung des eigenen Unternehmens. Oft ist auch Ratlosigkeit mit im Spiel. Wo anfangen?

     
 

Die EurA AG unterstützt gerne bei Vorhaben, die darauf abzielen PFAS-freie Alternativen zu entwickeln. Als starker Partner bei der Konzeption, Partnerfindung und Antragsstellung können wir unsere Dienstleistungen und Netzwerke zur Verfügung stellen, um Ihnen die Umstellung Ihrer Prozesse z.B. durch die Beantragung geeigneter Fördermittel zu erleichtern. Lebenszyklus-Analysen können Einsicht über den realen Anteil von PFAS in Prozessketten geben und gleichzeitig als Nachweis über eine PFAS-freie Herstellung dienen. Unsere Netzwerke im Bereich Oberflächentechnik, Wasserstoff, Luft- und Raumfahrt, sowie Medizin können Ihnen helfen weitere Ideen und notwendige Kooperationspartner zu finden. 

Seien Sie proaktiv und verlieren sie keine Zeit - sprechen Sie uns gerne an.

EurA-Netzwerke und Angebote in folgenden Bereichen:
 
     

 

Text: Dr. Greta Maroun

 


[1]Science Media Center Germany. Mögliches Verbot der PFAS. 07. Februar 2023. https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/rapid-reaction/details/news/moegliches-verbot-der-pfas/ (accessed 2023-05-17).
[2]Poetschke, F. Schwerpunkt 1-2020: PFAS. Gekommen, um zu bleiben.; Umweltbundesamt, 2020.
[3]Schneider, M. Auswirkungen eines PFAS-Verbots auf die Chemie-Lieferkette. CHEMIE TECHNIK. 28. Februar 2023. https://www.chemietechnik.de/markt/pfas-verbot-gefaehrdet-die-versorgungssicherheit-intransparenter-lieferketten-577.html (accessed 2023-05-17).
[4]Bock, S. PFAS, die Einschränkungen könnten weiter gehen. bock machining gmbh. 1. März 2022. https://www.bock-machining.de/pfas-die-einschraenkungen-koennten-weiter-gehen/ (accessed 2023-05-17).
[5]Schön, P. EU-Gericht: PFOA-Ersatz ist «besonders besorgniserregend». infosperber. 4. Mai 2022. https://www.infosperber.ch/wirtschaft/konzerne/eu-gericht-pfoa-ersatz-ist-besonders-besorgniserregend/ (accessed 2023-05-17).
[6]Europäische Umweltagentur. Was sind PFAS und inwiefern sind sie für meine Gesundheit gefährlich? https://www.eea.europa.eu/de/help/haeufig-gestellte-fragen-faq/was-sind-pfas-und-inwiefern (accessed 2023-05-17).
[7]Drepper, D.; Hoferichter, A. Nützlich, giftig, unverwüstlich. Süddeutsche.de. online. 23. Februar 2023. https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/wissen/pfas-chemikalien-fragen-und-antworten-lebensmittel-schaedlich-e250554/ (accessed 2023-05-17).
[8]Goldenman, G.; Fernandes, M.; Holland, M.; Tugran, T.; Nordin, A.; Schoumacher, C.; McNeill, A. The Cost of Inaction : A Socioeconomic Analysis of Environmental and Health Impacts Linked to Exposure to PFAS; Nordisk Ministerråd, 2019.
[9]Leitstelle Wasserstoff. Stellungnahme - Auswirkungen Des Verbots Der Per- Und Polyfluorierten Chemikalien (PFAS); Nationaler Wasserstoffrat, 2023. 
[10]Stoll, J. PFC in der Oberflächenbehandlung von Metallen und Kunststoffen. Umweltbundesamt. Umweltbundesamt. 24. Februar 2020. https://www.umweltbundesamt.de/pfc-in-der-oberflaechenbehandlung-von-metallen (accessed 2023-05-22).
[11]Bähr, M. Nicht ob, sondern wann: das PFAS-Verbot kommt | reuschlaw News. reuschlaw. 13. März 2023. https://www.reuschlaw.de/news/nicht-ob-sondern-wann-das-pfas-verbot-kommt/ (accessed 2023-05-17).

Dr. Greta Maroun

Ihre Kontaktperson
Dr. Greta Maroun

Sie wollen mehr über das Thema erfahren? Buchen Sie jetzt einen Termin.

Ich bin promovierte Chemikerin im Bereich der Physikalischen Chemie. Seit 2020 arbeite ich als Projekt- und Netzwerkmanagerin bei der EurA AG. Während meiner Laufbahn habe ich mir vielseitiges Wissen sowohl in verschiedenen physikalischen Charakterisierungsmethoden (z.B., IR, XRD, XPS, Elektronenmikroskopie, Raman) als auch der Synthese und Untersuchung neuer (photo-)katalytischer Halbleitermaterialien für Anwendungen zur grünen Wasserstofferzeugung sowie für neue Biodieselmotoren aneignen können. Auf dieser Basis bin ich derzeit mit dem Aufbau und der Betreuung eines Netzwerks im Bereich funktionaler Oberflächen und Oberflächentechnik zuständig. Bei Fragen und Anmerkungen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
chat-icon

EurA AG
Max-Eyth-Straße 2
73479 Ellwangen

T- 079619256-0
info@eura-ag.com