Die Lebensmittelindustrie steht seit rund zehn Jahren vor enormen Herausforderungen. Unternehmen suchen intensiv nach wertvollen Inhaltsstoffen, die mit nachhaltigen Wertschöpfungsketten produziert werden können. Gleichzeitig sollen diese den anspruchsvollen Bedürfnissen der Verbraucher und den immer strengeren Umweltauflagen gerecht werden.Die Produktion von alternativen Lebensmittelinhaltstoffen durch zelluläre Landwirtschaft (mithilfe von Zellkulturen) könnte aus technologischer Sicht eine solche Lösung darstellen. Beispielsweise könnten ölhaltige Inhaltsstoffe auf nachhaltige Weise produziert werden: Die sogenannte „Precision Fermentation“ bietet Potenzial hierfür.

Probleme der traditionellen Landwirtschaft

Pflanzliche Öle sind ein fester Bestandteil unserer Ernährung und stehen nach Reis und Weizen an dritter Stelle des Verbrauchs. Sie verleihen Geschmack, verbessern die Konsistenz, reichern Lebensmittel an und werden zum Kochen bei hohen Temperaturen verwendet. Doch Monokulturen von traditionellen Ölpflanzen wie Ölpalmen (siehe Fotos unten) und Kakaobäume und die Umwandlung natürlicher Landschaften in landwirtschaftliche Flächen sind ein wesentlicher Faktor für die Treibhausgasemissionen von traditionellen Pflanzenölen.

Angesichts der enormen Umweltauswirkungen der Palmöl- oder Kakaobutterproduktion gibt es auf industrieller Ebene noch keine biotechnologische Plattform zur Herstellung alternativer Öle für Lebensmittelanwendungen, die für den menschlichen Verzehr zugelassen sind.

Daher sind neue innovative Lösungen erforderlich, um die Lücke zwischen der wachsenden Nachfrage nach nachhaltigen Lebensmitteln und den technologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen der Skalierung biotechnologischer Verfahren zu schließen, insbesondere im Hinblick auf Ansätze der Kreislaufwirtschaft mit recycelbaren Rohstoffen.

 

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Wo früher Tropenwälder waren, finden sich heute oftmals Monokulturen wie Palmölplantagen, wie hier in Indonesien.

 

Eine technologische Alternative: die zelluläre Landwirtschaft

Die genannten Probleme zeigen deutlich, dass wir langfristig eine Alternative zur traditionellen Landwirtschaft, wie sie derzeit betrieben wird, brauchen. Die zelluläre Landwirtschaft könnte eine solche Lösung darstellen. Hierbei werden pflanzliche Produkte nicht mehr durch die Zucht und Ernte ganzer Organismen erzeugt, sondern durch das Kultivieren von Zellen in Bioreaktoren. Diese Methode umfasst unter anderem die Herstellung von alternativen Speisefetten wie Hefeöle oder andere Lebensmittelinhaltstoffe aus Zellkulturen. Und zusätzlich sind der Anwendungen dieser Alternativen keine Grenzen gesetzt: Sie können in Backwaren als Butterersatz oder auch in Schokolade als Kakaobutteralternative eingesetzt werden.

Eine Studie im Magazin „Nature“ kam 2024 zu dem Schluss, dass durch die zelluläre Landwirtschaft Treibhausgasemissionen und der landwirtschaftliche Flächenverbrauch reduziert werden können. Ein Übergang von traditioneller zu zellulärer Landwirtschaft sei laut den Autoren grundsätzlich möglich mit überwiegenden Vorteilen für die Umwelt. Inwieweit sich diese Potenziale jedoch unter realen Bedingungen tatsächlich ausschöpfen lassen, bleibt offen. Die teils optimistischen Schlussfolgerungen sind sicher diskutabel, machen aber durchaus Mut, insbesondere für die Weiterentwicklung innovativer Ansätze in der Lebensmittelproduktion.

Vorteile der zellulären Landwirtschaft
  • Reduzierter Flächenverbrauch: Keine Notwendigkeit mehr für große Anbauflächen. Die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen könnte um 83 % verringert werden, da weniger Land für den Anbau von pflanzlichen Lebensmitteln benötigt wird.
  • Arten- und Klimaschutz: Geringerer CO₂-Ausstoß und weniger Druck auf Ökosysteme. Ein vollständiger Übergang zur zellulären Landwirtschaft könnte die jährlichen Treibhausgasemissionen um 52 % im Vergleich zu den aktuellen Emissionen der traditionellen Landwirtschaft senken.
  • Gezielte Produktion: Nur die tatsächlich benötigten Produkte werden hergestellt, ohne Ressourcenverschwendung, was zu einem deutlich geringeren Wasserverbrauch in der Lebensmittelproduktion führen könnte.
Nachteile und Herausforderungen
  • Hohe Produktionskosten: Produkte der zellulären Landwirtschaft sind immer noch sehr teuer und die Technologien energieintensiv.
  • Technologische Hürden: Die Skalierbarkeit der Technologie, Textur und Geschmack der Lebensmittel müssen weiter optimiert werden.
  • Akzeptanz in der Gesellschaft: Viele Menschen stehen der zellulären Landwirtschaft skeptisch gegenüber.

Wohin geht die Reise?

Mit unseren technologischen Entwicklungen stehen wir vielfach noch am Anfang. Erste Unternehmen der zellulären Landwirtschaft etablieren sich derzeit am Markt, etwa mit fermentierten Speiseölen oder Butterersatzstoffen aus dem Labor. Der Weg zur breiten Anwendung ist jedoch lang und mit vielen offenen Fragen verbunden:
  • Wann wird zelluläre Landwirtschaft wirtschaftlich konkurrenzfähig?
  • Wie wird die Lebensmittelregulierung weltweit angepasst werden?
  • Wird die Umstellung auf zelluläre Landwirtschaft tatsächlich helfen, den Klimawandel zu bremsen und die Biodiversität zu schützen?

Wer sich in diesem dynamischen Umfeld erfolgreich positionieren möchte, sollte sich frühzeitig mit den passenden Fördermöglichkeiten auseinandersetzen. Ein Beispiel dafür ist das von uns gemanagte und vom BMWi (ehemals BMWK) geförderte ZIM-Netzwerk „InnoLipids“, das sich mit innovativen Technologien für essentielle Fettsäuren und Öle beschäftigt. Ziel ist unter anderem, alternative Wege zur Herstellung von Pflanzenölen und ölhaltigen Lebensmittelinhaltstoffen zu entwickeln – basierend auf zellulärer und mikrobieller Biotechnologie.

Ob Start-up, KMU oder Forschungseinrichtung: Unsere Experten rund um das Thema Biotechnologie in der Lebensmittelwirtschaft stehen Ihnen von der Auswahl geeigneter Programme bis zur Antragstellung zur Seite.

 

Text: Karoline Wissmann

 

Karoline Wissmann

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Ich bin Diplom-Chemikerin und seit Mitte 2020 bei EurA tätig. Ich berate Kunden zu nationalen und internationalen Förderprogrammen. Darüber hinaus leite ich Innovationsnetzwerke und F&E-Projekte in den Bereichen Biotechnologie, Bioökonomie und Lebensmitteltechnologie. Durch meine langjährige Erfahrung in der Branche habe ich ein großes Expertenwissen und ein weitreichendes Partnernetzwerk. Sehr gerne beantworte ich Ihnen alle Fragen von der Innovationsidee bis zur Vermarktung.
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